Beiträge zur Schülerzeitung sind Reinhard Möllers erste Texte, mit denen er Ende der 60er Jahre öffentlich versuchte, in bestehende Verhältnisse seiner engeren Umgebung und Zeit einzugreifen. Dann schreibt er Drehbücher und führt einen umfangreichen Briefwechsel mit Freunden, bis er gut zehn Jahre später, diesmal als RWLE Möller, wieder auf die Form der regionalen gesellschafts- und kulturpolitischen Einmischung aus Schülerzeiten zurückgreift, erneut und in steigendem Maße.
Ein oder gar das von jemandem keck postulierte »Stadtgewissen« war er gewiss nicht, aber zum Stadtwissen hat er erheblich beigetragen und wohl manchen Leuten der Stadt ins Gewissen geredet. Er schrieb für Celler Alternativzeitschriften der 80er und 90er Jahre: Celler Zündel (1981 — 1987), Schlaglichter (1988 — 1993), Publiz (1994 — 1998), Revista (seit 1999), aber auch in der Celleschen Zeitung und noch für andere Blätter und Periodika*. Zudem hat er publizistisch mit einigen Büchern zur Aufarbeitung der jüngeren und älteren Geschichte der Stadt beigetragen, vielfache Impulse gegeben. Die Titel sind bis auf Straßen in Celle vergriffen.
Hinter den Fassaden. Geschichten aus einer deutschen Stadt (hrsg. von Werner Holtfort und Norbert Kandel). Das noch im selben Jahr in 2. Auflage im Steidl Verlag (Göttingen) erschienene Buch, die erste kritische Publikation zur jüngeren Geschichte der Stadt Celle, stammt zwar nicht von RWLE Möller, aber er ist darin mit zwei seiner Bilder vertreten
Karl Kraus betrachtet Walter Zuzan (Ölbild) und Oberbürgermeister Hörstmann empfängt zusammen mit der Karstadt-Mickey-Mousemvietnamesische Flüchtlingskinder, das er später in Welch‘ ein Tag! (Ölbild) umbenannte.
(Zu den Bildern: Siehe den Katalogbeitrag Desaster des Friedens, Seite <?>) Hinter den Fassaden vereinigt Texte der kritischen Celler Intelligenz, Namen, von denen einige auch in diesem Katalog vertreten sind: Gudrun Ehrhardt, Georg Eyring (i.e. Joachim Kersten) und Rainer Marwedel.
Im Umfeld dieses für die Selbstverortung vieler gebürtiger Celler wichtigen Buches der 80er Jahre, liegt der Beginn und zeigt sich die Perspektive zu der sich über sieben Jahre erstreckenden Arbeit von RWLE Möller am Celle-Lexikon.
(zusammen mit Bernd Polster), im TRANSIT Verlag (Berlin) erschienen. In der Kurzbiografie gibt Reinhard (RWLE) hier an: »… seit 1969 freier Künstler« zu sein. Es ist eine kurze und anschauliche Geschichte des Strafvollzugs, des Systems Zuchthaus seit 1595, speziell am Beispiel der Celler Strafanstalt.
Obwohl nur ein schmales Bändchen, ist dies tatsächlich die erste umfassende und kritische Publikation zum Celler Gefängnis, die den großen Bogen wagt, von der Planung um 1710 bis zur unmittelbaren Gegenwart. Darauf hätte längst eine größere, tiefgreifende Forschung zur Geschichte dieser historisch bedeutenden Strafanstalt (auch im Hinblick auf andere Gefängnisse in Deutschland) folgen müssen, die bis heute aussteht.
(zusammen mit Oskar Ansull). Eine Folge von acht kartonierten Blättern, in wechselnden Farben, limitierter Auflage von jeweils 100 nummerierten, handsignierten Exemplaren, die auf den Innenseiten ein Gemälde von RWLE Möller und ein Gedicht von Oskar Ansull abbilden.
Die Reihe, mit Ausnahme der Nummer 7, die mit einem Gemälde der Malerin Brigitte Suberg erschien, dokumentiert die künstlerische und enge inhaltlich-thematische Zusammenarbeit beider, die schließlich auch zu dem gemeinsamen Ausstellungsprojekt Deine Bilder fallen mir ins Wort führte.
Link zum Wikipedia-Beitrag zur Vertiefung
(mit einem Vorwort von Dr. Rainer Marwedel), erschien bei August Lax (Hildesheim), ein für niedersächsische Regionalgeschichte renommierter Verlag. Das Lexikon ist das Ergebnis einer über sieben Jahre währenden Sammelarbeit und Recherche, ein Projekt der Selbstverortung und zugleich »Mehr als eine Welt […] ein offenes Lagerhaus des historischen Wissen.« (Rainer Marwedel). Ein Geschenk an alle Bürgerinnen und Bürger Celles, zu dem die Stadt nicht einen müden Pfennig aufbringen mochte.
Das Buch konnte, dank der Celler Buchhändler und etlicher Privatpersonen, im März des Jahres erscheinen. Es erwuchs von 1980 an »aus 3300 Stichwortkarten, 1200 Literatur-Angaben und 200 Registerkarten« (RWLE Möller, 1985) und unzähligen Mappen und Ordnern, zudem entstanden eine Sammlung von ca. 1200 Fotografien, Postkarten, Drucken und eine umfangreiche Buchsammlung zur Celler Geschichte.
Vor Erscheinen des Lexikons stand in der CZ zu lesen: »Was Von Abbensen bis Zwische […] sich mit und in ihm [dem Lexikon] ereignet, ja noch ereignen wird, das ist nicht auszudenken, und wer auf den rund 400 Seiten ins Lesen gerät, kommt vom Hundertsten ins Tausendste und vergißt die Zeit und ist doch mittendrin.« (Oskar Ansull, Celle=Lexikon: Das Bild einer außergewöhnlichen Stadt. Beispielhafte Form einer ungewöhnlichen Geschichtsschreibung durch einen Celler Künstler. In: Cellesche Zeitung, 10. Sachsenspiegel, 7. März 1987).
(mit Reinhard Rohde, im Selbstverlag). Zu den Celler Tagen der Kunst (1988) wagten es die beiden, das Motto Kunst im öffentlichen Raum interdisziplinär anzugehen, und von den Ergebnissen des Celle-Lexikons gespeist, einen so noch nicht vorgelegten Stadtplan zu entwerfen: aufklärend, zur Besinnung einladend, zum Nachdenken provozierend. Genau verzeichnet sind darauf die Adressen der NS-Täter, wo sie wohnten und wirkten, insbesondere aber auch die Orte, an denen die Opfer lebten und arbeiteten, »die Schauplätze dieser Vergangenheit«. Auf der Rückseite des Stadtplans finden sich sieben ausführliche Quellentexte zum Thema, einige davon aus Schülerarbeiten des Celler Hölty-Gymnasiums und der GHS Groß Hehlen. Celle wird hier zum hässlichen Stadtbild jener Jahre.
Der preiswerte Stadtplan ging in die 2. Auflage (1995) und wurde vielfach auch an Schulen eingesetzt. Er ist noch immer (über die Stiftung) erhältlich, für Schulen kostenlos und rechtefrei.
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erschienen im Fröhlich Verlag (Celle), ist die kurzatmigste Publikation des umtriebigen Stadtchronisten, der auch immer ein (wenn auch kritischer) »Stadtverführer« sein wollte.
Dies schmale Büchlein mit dem griffigen Titel, eher ein Heftchen, hätte ein immer wieder aktualisierter Longseller für Touristen werden können, eine Art Anti-Baedeker. Aber genau da lag das Problem, denn RWLE Möllers Ein-Mann-Unternehmen konnte das auf Dauer nicht leisten. Der Verlag verschwand auch rasch wieder von der Bildfläche.
(Selbstverlag). Das ist ein gekonnter Wurf gewesen, der Möllers stadthistorisches Interesse mit zeichnerischer Lust verbunden hat. Ein Titelblattentwurf entstand bereits einige Jahre zuvor, für den Celler Abriss-Kalender 1988, publiziert wurde er aber erst 1993, mit Texten von Ralf Busch.
Im ironischen Doppelsinn nannte Möller den mit Zeichnungen und kommentierenden Texten ausgestatteten Kalender zu nicht mehr existierenden Gebäuden: Abriss-Kalender, zwölf monochrome Zeichnungen abgerissener alter Celler Häuser, die nichts mehr erzählen können.
Der Kalender war sogleich ein Sammelobjekt, der einen Zerstörungsprozess dokumentiert, der nicht von zwei Weltkriegen ausging, sondern aufs Konto der friedlichen Nachkriegsjahrzehnte, der 50er bis 80er Jahre (und weiter) geht. Eine melancholische Möller-Gebärde, die der Haltung der legendären Stadterzählerin Carla Meyer-Rasch (sie schrieb drei Bände Alte Häuser erzählen, eine Art Chronik der Stadt) nahekommt und konsequent wie kritisch weiterführt.
Es gibt da nichts mehr zu erzählen, nur noch zu katalogisieren und übers Jahr monatlich auch aus der Erinnerung wegzureißen.
ist RWLE Möllers Serie über Celles Straßennamen, die er in loser Folge seit 1993 für die Cellesche Zeitung schrieb, und die im Schweiger & Pick Verlag (Celle) als Buch erschien. Hierin klärt er, meist plaudernd, die Hintergründe bevorzugt der Straßen und Plätze auf, die einen Personennamen im Schilde führen oder auf ein geschichtliches Ereignis hinweisen.
Unter der Hand ist es eine Art locker gefügte und kenntnisreiche Stadtgeschichte geworden, die durchaus einen Stadtplan und ein Register hätte vertragen können, der die besprochenen Straßen und Plätze auch verzeichnet. Es ist das einzige seiner Bücher, das immer noch am Markt zu haben ist.
eine liebevolle, jahrelange Recherchearbeit, die er hier für den hiesigen Künstlerbund geleistet hat. Er hat dessen künstlerische und organisatorische Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte festgehalten, eine Besonderheit für den BBK als bundesweite Organisation
Es ist erstaunlich zu sehen, wie viel künstlerisches Potential Stadt und Landkreis belebte, welche Spuren die bildende Gegenwartskunst hinterlassen hat. Es ist RWLE Möllers letzte größere Arbeit, die er abschließen konnte.
Der Katalog, der gleichzeitig auch ein Geschichtsbuch ist, könnte eine der Grundlagen für eine noch zu schreibende Geschichte über Celler Künstlerinnen und Künstler von den Anfängen bis heute sein.
(zusammen mit Bernd Polster in der Edition Stadtbuch, Bonn). Nach dem nicht absehbaren Erfolg des Celle-Lexikon von 1987 wurden Stimmen laut, dass eine überarbeitete und erweiterte und in Teilen veränderte 2. Auflage des Lexikons erscheinen sollte.
Möller hat seit 1987 fortlaufend an den Einträgen gearbeitet, das Lexikonmanuskript für eine mögliche Neuauflage aktualisiert, Fehler berichtigt, ergänzt. Eine darauf basierende Neuauflage des vergriffenen Buches war längst überfällig
Sein Schulfreund Bernd Polster, der sich zu einem versierten und erfolgreichen Publizisten entwickelt hatte, zeigte Interesse an dem Projekt einer gänzlich neu strukturierten lexikalischen Ausgabe. Beide bereiteten dies Mitte der 90er Jahre gemeinsam vor. Erstmals gab es dafür eine finanzielle Unterstützung. Sie erhielten von der Hamburger Stiftung zur Förderung von Wissenschaft und Kultur (initiiert von Jan Philipp Reemtsma) einen großzügigen Zuschuss.
Der sich verschlechternde Gesundheitszustand von RWLE brachte das Projekt allerdings ins Stocken und konnte von Bernd Polster (mit einem kleinen Team) erst nach Möllers Tod verstärkt wiederaufgenommen werden, nachdem die RWLE Möller Stiftung ebenfalls in die finanzielle Förderung eingestiegen war. Es wurde zu einem der schönsten Bücher zur Stadtgeschichte, in dem Bernd Polster in Wort und Bild seine Liebe zur Stadt seiner Kindheit und Jugend darstellt: »Ich rieche Gras, das langstielige Gras der Allerwiesen, in denen wir uns hin und wieder wälzten …«
Inzwischen werden beide Bücher, das Celle-Lexikon und Celle. Das Stadtbuch als unentbehrliche Nachschlagewerke in Celle benutzt. Eine 3., korrigierte und aktualisierte Auflage des vergriffenen Buches wäre seit Langem wünschenswert.